Eigentlich gibt es nur zwei Gründe einen Krautinger zu trinken. Entweder man war – generell oder zu uns im speziellen – etwas böse: Dann gibt es ihn als wohlverdienten Strafschnaps (der gfälligst getrunken, und nicht in die Blumenvase, das Abtropfsieb an der Bar oder sonstwohin geschüttet wird). Oder man war wirklich – generell oder zu uns im speziellen – sehr brav: Dann bekommt man ihn quasi als Aufnahmeritus in die wilde Familie kredenzt (und auch der wird gfälligst getrunken – und wenn‘s geht ohne große Jammereien).

Einen Krautinger nicht zu trinken, dafür gibt es für Claudia und Janine, für Simon und Martin, für Ruslan und Rainer, für Simon, Simon, Simon und so viele andere eine schiere Unzahl von Gründen. Er schmeckt nach einer Mischung aus Sauerkraut, nassem Hund und Hansi Hinterseers alten Skisocken. Er riecht nicht wirklich besser, im Gegenteil: Hier gesellen sich noch saure Milch und Hansi Hinterseers alte Skiunterwäsche dazu. Und er bleibt zwischen ein paar Stunden und – für die wahren Mimosen unter uns – bis zu drei Tage geschmacklich im eigenen Körper omnipräsent. Wahrlich, Beliebtheitswettbewerb gewinnt der Krautinger keinen – oder wie weiß der Uhrmacher Reini in der Museumsstraße so treffend zu sagen: Krautinger saufen ist wie russisches Roulette mit sechs Kugeln. Da kannst schwer gewinnen…

Oder eppa doch. Auch wenn ich gestehen muss, dass die ersten zwei, drei Krautinger bei meinem Gaumenzapferl alles andere als Freudensprünge ausgelöst haben, habe ich den urigen Schnaps aus der Wildschönau mittlerweile mehr als nur ins Herz geschlossen. Zum einen weil dann doch – siehe Grund Nummer 1 ihn zu trinken – mehr als zwei, drei in meine Richtung gewandert sind. Zum anderen, weil er einfach etwas ganz – ok zugegeben, ganz, ganz, ganz, ganz – Spezielles ist.

Der Schilcher beispielsweise wird von so manchem Weinconnaisseur als saures Essiggesöff verspottet und ist für so manche dann doch ein wunderbarer Botschafter regionalen Geschmacks, typischen Genusses. Und Geschmäcker sind verschieden, also dürfen wir auch alles Verschiedene genießen. Hier eben den so traditionsreichen, sogar von Kaiserin Maria-Theresia geehrten, Schnaps aus der Wildschönau.

Krautinger

Für mich und etliche andere jedoch ist der Krautinger aus einem ganz besonderen Grund etwas Besonderes: Lassen wir Geschmack und Geruch mal kurz außen vor, ist der Krautinger ein grandios gebrannter Schnaps – qualitative Spitzenklasse. Ölig, keine Schärfe am Rachen, sanft in der Gurgel: Liebe Schnapsgenießer, genau jene Eigenschaften, die wir eigentlich von jedem Hochprozentigen erwarten würden. Aber leider wird hier viel zu oft die parfümierte Williamsbirne kredenzt, die chemische Marille oder sonst was. Veto sage ich, Veto sagen die Tiroler Schnapsregionen. Wer wirklich guten Klaren trinken will, soll zum Wildschönauer Krautinger, zum Ötztaler Enzian, zum Zillertaler Meisterwurz oder auch zum Osttiroler Pregler greifen – allesamt zugegeben geschmacklich alles andere als (künstlich aufgepeppte) Allerweltszufriedensteller, allesamt aber auf jeden Fall hervorragend handwerklich hergestellte Schnäpse.

Also ich bleibe dabei: Der Krautinger ist einer der besten Schnäpse, die es in Tirol gibt. Und vor allem ist er grandios gegen jegliche Magenprobleme. Außer Schluckauf, dann schmeckt man ihn sogar für meine Begriffe ein wenig zu oft.