Ein kleines Korn. Ein großes Kino.
jäger - fischer - sammler
Learning by doing ist ja in der wilden Küche im Speziellen, in der Wilderin generell, ja nix verwerfliches. So auch keine Schande für uns, dass wir bei diesem einem Korn – wie auch bei anderen – ein wenig tun mussten, um zu lernen. Als wir im letzten Jahr endlich feinstes (Voralpen)Getreide aus Niederösterreich bei der wunderbaren Demeter-Mühle Meierhof fanden war die Freude über Reis-Ersatz aus dem alpinen Raum immens, das Staunen darüber noch mehr. Immerhin versorgt uns der Meierhof nicht mit 08/15-Industrie-Hybrid-Getreide, sondern vielmehr mit einer Vielzahl an ursprünglichen Getreide-Körnern – vom Bergweizen über die Waldstaude bis hin zum Einkorn.
Eine bissige Vielfalt, die uns bzw. vor allem unseren Alex, unseren Christoph vor die ein oder andere Herausforderung gestellt hat: Wie bitteschön nutzen wir dieses ursprüngliche Getreide in der heutigen Küche? Da ein Versuch, dort noch einer – et voilà, da könnten wir gach noch einen Versuch brauchen. Aber mit Zeit kommt Rat und so peu a peu wussten und wissen unsere Küchenjungs die knackigen Körner perfekt in Szene zu setzen. Die Waldstaude eignet sich Dank ihrer Süße wunderbar für ausgefallene Desserts, das Bergweizen ist ein grandioser Ersatz für allzu gern nichtssagenden Beilagenreis und das Einkorn, jaja dieses eine Korn, hat es uns so wirklich angetan.
Schon in der Wiege der Zivilisation wurde das Einkorn im Zwischenstromland kultiviert und konnte in der Geburtsstunde des Ackerbaus in Europa seine Stärken in den Vordergrund spielen: Genügsam bezüglich der Bodenqualität, ohne Monsantogiftkiste resistent gegen eine Vielzahl von Kornschädlingen und noch dazu inhaltsreicher an Mineralstoffen, Aminosäuren und Beta-Carotin als Saat-Weizen. Aber unter dem Strich auch deutlich ertragsärmer als zuletzt genannter – dementsprechend war dem Einkorn in der historischen, wie auch modernen Landwirtschaft maximal eine Nischenrolle zugetan. Wobei, nachdem wir in Europa einen satten Getreideüberfluss produzieren mit dem wir auch den Weltmarkt schwemmen, könnten wir ja auch einiges an Ackerfläche für wertigeres, gesünderes und einfacheres, altes Getreide nutzen. Weil es etliche Vorteile hat, vor allem aber auch, weil es geschmacklich ein völlig anderes ist.
Wird dieses eine Korn von Alex und Christoph zu dem einen Risotto verkocht, dann kommen selbst die gefestigtsten Fleischhedonisten ins Grübeln: Könnte, dürfte, sollte man(n) nicht? Ja, man(n) könnte, dürfte, sollte, müsste – dieses Risotto vom Einkorn ist schon im unverfeinerten Zustand ein lukkulisches Erlebnis der besonderen Art und Weise: Knackig im Biss, leicht nussig im Geschmack und haptisch auf der Zunge eine eigene Liga. Und dann kommt erst die saisonale Steigerung des Ganzen: Bärlauch im Spätwinter, Ruccola im Frühsommer, Krenn im Herbst oder Äpfel im Winter – das ganze Jahr über präsentieren sich natürliche Geschmackshauptdarsteller für unser Einkorn-Risotto und geben so nicht nur perfekten Einblick in die saisonale Geschmacksvielfalt der Alpen. Sondern lässt uns dieses eine, dieses grandiose Gericht auch in schier unendlicher Vielfalt genießen. Und ja, ab und an wird auch etwas von unseren Viechern darin sein – um auch noch die letzten Fleischfetischisten auf den Geschmack des einen Korns zu bringen.